Wenn man ein Teil des Filmes wird …
Ich war gestern Abend mit einer Freundin in Victoria und ich kann euch erstmal nur eines dazu sagen. Scheiße war der Geil!
Zwar hatte ich am Anfang etwas Probleme. Das lag aber eher daran, dass ich Filme mit Schnitt gewöhnt bin. Deshalb rechnete ich auch erstmal jeden Moment mit einem. Aber nach kurzer Zeit war auch das vergangen. So tauchte ich dann komplett ins Berliner Nachtleben ein, wo die Hauptperson Victoria seit drei Monaten lebt.
!!!Achtung Spoiler!!!
Die junge Spanierin Victoria war auf den Weg nach Hause von einer Partynacht als sie von vier Berliner Mitte zwanziger angesprochen wird. Sie entscheidet spontan, sich der lustigen Truppe welche sich ihr als Sonne, Boxer, Blinker und Fuß vorstellen anzuschließen. Auf einem Dach erfährt sie, dass Boxer schon mal im Gefängnis war und die vier Jungs schon von klein auf befreundet sind. Da Victoria in ein paar Stunden das Café in dem sie arbeitet öffnen muss, verlässt sie mit Sonne die Gruppe. Im Café erzählt sie Sonne, dass sie auf einem Musikkonservatorium war weshalb sie hervorragend Klavier spielt. Der Flirt zwischen den beiden wird vom Rest der Gruppe unterbrochen welche Sonne abholen da er mithilfe der Gruppe einen „Gefallen“ zu erledigen hat. Fuß ist aber so besoffen und scheidet deshalb als vierter Mann aus. Victoria bietet sich an das Auto welches Boxer kurz vorher geklaut hatte für den Job zu fahren. Der Gefallen entpuppt sich als Überfall auf eine private Bank, welchen die Gruppe für eine Knastbekanntschaft von Boxer tätigen soll. Da sie nicht mehr aus der Sache raus können stimmen sie dem Deal zu. Der Überfall glückt aber die Situation eskaliert und nur Sonne und Victoria können fliehen. Sie verstecken sich in einem Hotelzimmer wo Sonne welcher eine Schussverletzung erlitten hat stirbt. Victoria, der Sonne vorher den Rat gab mitsamt dem Geld zu verschwinden begibt sich aus dem Hotel und wird von der Kamera welche ihr 140 Minuten gefolgt war, in die Straßen Berlins entlassen
Mich hatte der Film nach meinen anfänglichen Problemen schnell gefangen. Wegen des Oneshots war man auch nicht nur dabei, sondern gleich mittendrin. Es war als ob man Teil der Gruppe war und alles selbst erlebt. Was mich besonders begeisterte war das die Darsteller den Großteil improvisierten und es für mich überhaupt nicht langweilig wurde. Die Gespräche passten zu jeder Situation. Die Anschlüsse gingen perfekt ineinander über was bei einem Oneshot ja nicht so einfach ist. Besonders wenn er 140 Minuten dauert. Nachdem die ersten beiden Drehs noch nicht das gewünschte Ergebnis für Regisseur Sebastian Schipper erbracht hatten, war mit dem dritten Take dann aber der ganze Film im Kasten. Ich war in einem ständigen auf und ab der Gefühle gefangen. Von sie haben es geschafft zu oh nein doch nicht wechselte meine Stimmung mehrere Male. Besonders ist hier Laia Costa zu erwähnen welche sich so extrem in die Rolle der Victoria versetzte, dass ihr zu den richtigen Stellen die Tränen nur so über die Wangen rollten. Frederick Lau, Franz Rogowski, Burak Yiğit und Max Mauff geben die Berliner Antihelden so gut wieder, dass man sie trotz ihrer kleinen Delikte irgendwie mögen muss. Und mitleidet, wenn man erfährt was mit ihnen passiert. Wer hier aber auch noch Erwähnung finden muss ist der silberne Bären Gewinner Kameramann Sturla Brandt Grøvlen. Im richtigen Moment wurden Sachen scharf oder unscharf, wurde der Fokus auf eine bestimmte Person gelegt oder etwas gezeigt. Das er die ganze Zeit neben der Gruppe, hinter dem Fahrrad, im Auto, rauf aufs Dach, im Aufzug, die Treppe herunter dabei war ist schon eine extrem sportliche Leistung.
Ich wäre dafür, dass Victoria für Deutschland ins Rennen um den „nicht englischsprachigen Oscar“ ginge. Aber, wer hört schon auf einen kleinen Blogger wie mich? Nach einer langen Durststrecke des deutschen Filmes ist endlich wieder ein hochqualitativer Film aus unserem Land erschienen. Dabei hatte ich schon Angst, dass wir aus dem Till Schwaigersumpf nicht mehr heraus kommen. Aber Victoria, Sonne, Boxer, Blinker, Fuß und Sebastian Schipper haben uns heraus gezogen und gezeigt, dass auch 2015 noch mit extrem guten Filmen Made in Germany zu rechnen ist.